Direkte und indirekte Reziprozität sind meiner Meinung nach mindestens in zweierlei Hinsichten zu verstehen. Die erste und häufigere (die auch mit den obigen Schemas illustriert werden kann) stammt von dem Soziobiologen Robert Trivers . Direkte Reziprozität kann in diesem Verständnis sowohl in den Zweipersonen- als auch in den Mehrpersonenspielen auftreten, indirekte hingegen nur in den Mehrpersonenspielen. Zu betonen ist, dass Trivers’ Erwägungen sich nur auf iterierte (von ihm evolutionär genannte) Spiele beziehen, in denen der Spieler nur zwei Handlungsmöglichkeiten hat – Kooperation oder Defektion. Im Fall der direkten Reziprozität ist die Reziprozität bilateral, auch wenn es sich um ein Mehrpersonen-spiel handelt. Jeder Spieler reagiert direkt auf die ihm gewidmete Aktion des anderen und seine Reaktion betrifft genau den Spieler mit dem er eben interagiert hat. Einen Erfolg der direkten Reziprozität kann mit einer sehr einfachen Ungleichung dargestellt werden:\r\n p > c/b \r\nDie Wahrscheinlichkeit (p) der Wiederholung der Interaktion mit dem gleichen Partner ist höher als das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Kooperation. Einfacher ausgedrückt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der gleiche Partner wieder begegnet zu groß um die Defektion zu wagen, auch wenn sie kurzfristig höhere Auszahlung bringen könnte. Als bestes Beispiel der direkten Reziprozität dient natürlich TIT FOR TAT.\r\nIn der indirekten Reziprozität hingegen, müssen sich die gleichen Spieler nicht wieder begegnen. Sie werden jedoch von den anderen Beobachtet, die dann letztendlich ihre Aktionen erwidern werden. Die Ungleichung sieht eigentlich gleich aus, wird aber anders interpretiert:q > c/b\r\nDie Wahrscheinlichkeit q entspricht jetzt der Voraussicht, irgendjemandem zu treffen der das Verhalten des Spieles vergelten wird. Das wohl bekannteste Beispiel der indirekten Reziprozität ist ein so genanntes „Public-Goods-Spiel“. \r\nExperimente zeigen, dass in einer direkten Reziprozität die Kooperation und darausfolgend die positive Reziprozität viel länger erhalten bleibt. In einer indirekten Reziprozität tendieren die Spieler viel schneller zur Defektion und was daraus folgt zum negativreziproken Handeln.
Nachlass der Anzahl der Kooperierenden in der direkten Reziprozität
Nachlass der Nachlass der Anzahl der Kooperierenden in der indirekten Reziprozität
* blau – Kooperierende, rot – Defektierende
Wie aber schon am Anfang dieses Abschnittes erwähnt wurde, könnte die Unterscheidung zwischen der direkten und indirekten Reziprozität auch anders verstanden werden. Der Unterscheidungsfaktor wäre in dem Fall der Moment der Vergeltung. Indirekte Reziprozität könnte in diesem Fall auch in Zweipersonenspielen auftreten, wenn die Reaktion nicht sofort nach einer Aktion kommt, sonder erst nach einer Reihe von Aktionen. Ein Beispiel dafür wäre TIT FOR TWO TATS, eine Strategie in der der Spieler erst nach der zweiten Defektion selbst defektiert (die jedoch nicht so erfolgreich wie TIT FOR TAT ist).\r\nUnabhängig von dem entscheidenden Unterscheidungsfaktor besteht in den einfachen Zweipersonenspielen natürlich nur die Möglichkeit der direkten Reziprozität, was am Beispiel des Ultimatumspiels zu sehen ist.